Naturschützer und Bauern diskutierten im Lindenhof

Rettet die Bienen und die Landwirte

Die Diskussionsteilnehmer stellen sich gerade vor

Podiumsdiskussion um eine gemeinsame Agrarpolitik und die Rettung der Artenvielfalt

Seit gut einem Jahr leitet Christoph Hartl das Umweltschutzinformationszentrum Lindenhof in Bayreuth und die Bezirksgeschäftsstelle Oberfranken des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Hartl ist Biologe und Jurist und sehr umtriebig. Er hatte die Idee der „Bayreuther Freitagsdebatte“, die mindestens viermal im Jahr im Lindenhof stattfinden soll. Am Freitag, dem 22. März 2019 lud der LBV Naturschützer und Landwirte zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Einerseits will der LBV vor der Europawahl eine Diskussion über eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) anstoßen und andererseits ringt ein Runder Tisch in Bayern um die Umsetzung des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“.

Breites Spektrum aus Politik, Naturschutz und Landwirtschaft

Die Teilnehmer auf dem Podium ließen eine spannende Diskussion erwarten. Matthias Luy kam aus München angereist. Der Biologe ist Landwirtschaftsreferent des LBV. Andreas von Heßberg sprach als Naturschützer und Vorsitzender des Imkervereins Bayreuth. Rebekka Mayer aus Bamberg ist studierte Biologin und Biolandwirtin. Thomas Pickel sprach für den Verein „Summer in der City e.V.“ Der Verein steht für ein insektenfreundliches Bayreuth und setzt sich für mehr Biodiversität ein. Für den Bayerischen Bauernverband Bezirk Oberfranken saß in Vertretung des Obmanns Hermann Greif der Biolandwirt Martin Gerhard auf der Bühne. Im Laufe der Diskussion kam auf Einladung von Gudrun Brendel-Fischer noch Bianca Faber als Vertreterin der oberfränkischen Jungbauernschaft dazu. Die Landtagsabgeordnete selbst vertrat die Politik der Bayerischen Staatsregierung.

Mehr Geld von der EU für den Artenschutz gefordert

In seinem Eingangsreferat vor der Podiumsdiskussion stellte der Matthias Luy die aktuelle Verteilung der EU-Gelder vor. 58 Milliarden Euro Agrarsubventionen fließen jährlich aus der EU-Kasse in die Landwirtschaft. Der größte Brocken sind Direktsubventionen von 45 Milliarden verteilt nach Hektar je genutzte landwirtschaftliche Fläche. Auf diese Weise kommen knapp 300 Euro pro Hektar zusammen. Dreißig Prozent davon sollen für das sogenannte „Greening“ verwendet werden. Gefördert werden Brachen mit 13%, Randstreifenpflege mit 1% und Heckenpflege und sonstige Kleinmaßnahmen mit 0,4%. In das europäische Kultur- und Landschaftspflegeprogramm (KuLap) fließen europaweit 14 Millarden Euro. Luy stellt klar, dass die meisten Maßnahmen für den Naturschutz nichts bringen und stattdessen Monokulturen fördern. Er verweist besonders auf den dramatischen Einbruch der Bestände an Bodenbrütern wie Kiebitz (-75%), Rebhuhn (-94%) und Feldlerche (-34%). Von Heßberg verwies in seinem Eingangsreferat auf die gigantische Bestäuberleistung der Bienen. Würde diese wegfallen, käme hohe Kosten auf die Volkswirtschaft zu.

Bauern wollen an der Direktförderung nicht rütteln

Martin Gerhard von Bauernverband macht deutlich, dass ohne die EU-Fördergelder ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht möglich wäre. In Summe bestehen 50% der landwirtschaftlichen Einnahmen aus Steuergeldern. Die Bauern würden damit Planungssicherheit erhalten. Aus dem Publikum meldet sich Helmut Korn, Ehrenvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayreuth. Er rechnet vor, dass große Betriebe im Osten mit 90 bis 250 Hektar hohe Summen einstreichen würden (250 ha mal 300 Euro sind 75.000 Euro) und nichts für den Artenschutz unternehmen würden. Matthias Luy fordert eine Änderung der Systembedingungen. Die Folgekosten für den Pestizideinsatz, den Artenschwund und die Gewässerreinigung müssten in die Rechnung eingehen. Die Naturschützer wollten den Bauern nichts wegnehmen, sondern die Gelder anders verteilen, zum Beispiel nach einem Punktesystem, wie es der Naturschutzbund (NABU) ermittelt hat. Bianca Faber weist daraufhin, dass die Bauern einen wichtigen Beitrag für die Luftreinhaltung leisten würden, wenn sie den Dünger emissionsfrei ausbringen. Zudem sei in Oberfranken die Landschaft noch intakter als in anderen Regierungsbezirken und die Bauern würden sich für die Heckenpflege einsetzen, so die Vertreterin der Jungbauernschaft.

Unterschiedliche Sichtweise der Bienenhalter

Einig sind sich die einheimischen Imker in einem Punkt: die Varoamilbe ist der Hauptfeind für die Bienen. Das sieht auch der Creußener Imker Anton Herzing so. Andreas von Heßberg ist dieser Blickwinkel zu eindimensional. Er hält den Pestizideinsatz auf den Feldern für gefährlicher. „Die Variamilbe kann der Imker mit geeigneten Maßnahmen in den Griff bekommen, das Gift in der Umwelt jedoch nicht.“ Gudrun Brendel-Fischer outet sich als Hobbyimkerin. „Meinen Bienen geht es gut, obwohl wir in Tannenbach von konventioneller Landwirtschaft umgeben sind“, sagt sie auf dem Podium. Weit mehr Fachkompetenz in diesem Punkt bringt Jürgen Peter ein. Er besitzt fünfzig Völker rund um Bayreuth. „Ich halte Bienen sowohl am Ökologisch Botanischen Garten in Bayreuth als auch im Bayreuther Landkreis. Bei sonst gleichen Haltungsmethoden sterben mehr Bienenvölker, wenn sie von konventionell bearbeiteten Äckern umgeben sind als von blühenden Flächen in ungespritzter Umgebung“, so der Kreisvorsitzende der Bayreuther Imker.

Volksbegehren Artenvielfalt zum erfolgreichen Abschluss führen

Zum Ende der Diskussionsrunde hält Rebekka Mayer einen flammenden Vortrag für den erfolgreichen Abschluss des Volksbegehrens. „Während der Abstimmung erlebte ich eine einzigartige Aufbruchstimmung bei den beteiligten Naturschutzverbänden. Helfen wir alle mit, dass das Volksbegehren in ein neues Bayerisches Naturschutzgesetz mündet. Ohne Kompromisse geht es nicht. Wir Biobauern würden zum Beispiel 5% der Gesetzesvorlage auch nicht unterschreiben.“
In seinem Vortrag vor Beginn der Podiumsdiskussion hatte Christoph Hartl die wichtigsten Punkte des Volksbegehrens beleuchtet. Bei allen Maßnahmen sieht er den Staat als ganzes in der Pflicht und nicht den einzelnen Landwirt. „Niemand kann gezwungen werden, auf Biolandwirtschaft umzusteigen. Aber der Staat kann Anreize dafür schaffen.“
In einem Punkt waren sich alle Teilnehmer des Abends einig: besonders wir, die Verbraucher, müssen einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten. „Kauft direkt beim Erzeuger“, appellierte ein junger Bauer, der seinen Namen nicht sagen wollte, an das Publikum.
Matthias Luy stellte drei alternative Bewegungen vor. Bei der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) schließen 50 bis 300 Abnehmer einen Vertrag mit dem Erzeuger ab. Sie zahlen ihren Beitrag auch dann, wenn die Ernte nicht so erfolgreich wie gewünscht verläuft. Weiterhin empfiehlt Luy Produktionsweisen in Sinne der Permakultur. Der Anbau soll im Einklang mit der Natur die Bodenfruchtbarkeit schonen, kaum Abfall erzeugen und die Artenvielfalt erhöhen. Eine neue Bewegung sei das „Agroforesting“. Dieses Anbausystem kombiniert Elemente des Ackerbaus mit solchen der Forstwirtschaft. So werden mehrjährige Obstbäume mit Nutzhölzern und einjährigen landwirtschaftliche Nutzpflanzen auf derselben Fläche angebaut.

Weitergehende Informationen zur Vertiefung

Landesverband Bayerischer Imker
Bayerische Jungbauernschaft
Summer in der City e.V. Bayreuth
SoLaWi Solidarische Landwirtschaft Bayreuth

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