Eine hügelige und karge Landschaft kennzeichnet die Gegend um Feyzabad
Der Deutsche Presserat rügt die Berichterstattung im Nordbayerischen Kurier vom 20.8.2021 über die Menschen in Afghanistan
Bisher kam es selten vor, dass der Presserat beim Nordbayerischen Kurier vorstellig wurde. Deshalb ist die Rüge bezüglich des Interviews mit dem Geschäftsstellenleiter der Gemeinde Heinersreuth zu seinem Einsatz in Afghanistan durchaus beachtenswert. Zum besseren Verständnis vorab: der Deutsche Presserat und sein Beschwerdeausschuss treten für die Pressefreiheit und die Wahrung des Ansehens der deutschen Presse ein. Der Trägerverein für Verleger- und Journalistenverbände sorgt für eine freiwillige Selbstkontrolle der gedruckten Medien und kommt damit einer staatlichen Überwachung zuvor.
Als deutscher Offizier fünf Monate am Hindukusch stationiert
Der Zeitpunkt des Interviews mit Danielo Heidrich war gut gewählt. Denn Mitte August 2021 wurde bekannt, dass die Amerikaner Hals über Kopf aus Afghanistan abziehen und damit das Land in eine schwierige Lage bringen. Heidrich war von November 2007 bis März 2008 als Bundeswehrsoldat in der Nähe der Stadt Feyzabad im Hochgebirge von Afghanistan stationiert und teilte Redakteurin Gabi Schnetter seine Erfahrungen aus dieser Zeit mit. Einige Passagen dieses Interviews gefielen dem Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats gar nicht.
Bestimmte Aussagen verstoßen gegen die Achtung der Menschenwürde
Die Äußerungen von Heidrich enthalten nach Meinung des Ausschusses diskriminierende Verallgemeinerungen über die dortige Bevölkerung, die über zugespitzte Werturteile hinausgehen. Unter anderen sagte der ehemalige Bundeswehrsoldat wörtlich: „Dort ist niemand unschuldig. Wenn die Kinder zehn oder zwölf Jahre alt sind und eine Waffe halten können, haben die schon einen Menschen erschossen.“ Auch diese Passage wurde kritisiert: „Wir haben die Menschen dort in den Bergregionen, auf dem Land erlebt. Sie sind nicht integrierbar“ und weiter „Rund 90 Prozent der Bevölkerung hier sind Analphabeten.“ Der Presserat rügt, dass die Aussagen nicht zu den folgenden Ziffern des Pressekodexes passen: Ziffer 1 „Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde“ und Ziffer 12 „Diskriminierungen“.
Die Kurierredaktion hätte den Wahrheitsgehalt der Aussagen überprüfen müssen
Der Beschwerdeausschuss weist die Kurierredaktion darauf hin, dass die Aussagen des Offiziers nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wurden. Die Redaktion hätte „gegenrecherchieren“ müssen, obgleich die Äußerungen des Soldaten als Zitate wieder gegeben wurden. Dies wiege um so schwerer, weil der Mann für die Leserinnen und Leser als eine „Art Experte“ für Afghanistan auftritt. In einem Artikel im Regionalteil der Freitagsausgabe vom 17.12.21 nimmt die Kurierredaktion die Beschwerde des Presserats an. Die Redaktion achte den Pressekodex und die Autorität des Presserats als wichtige Kontrollfunktion. Der Text erschien in der Printausgabe und im E-Paper (Zugriff nur für Abonenten). Der Originalartikel vom 20.8.21 auf der Kurier-Webseite wurde inzwischen gelöscht.
Auf Facebook: 47 Kommentare zum Kurierartikel über Afghanistan
Das Interview mit dem Bundeswehroffizier sorgte auch auf der Facebookseite des Kuriers für reichlich Diskussionen und elf User teilten den Post. Viele Pöbler stimmten dem Inhalt zu, so zum Beispiel: „Diese Prognose hätte ich dem NBK auch geben können! Herr Heidrich – danke für Ihren Dienst“ oder „Die Parallelgesellschaften haben wir doch schon lange in Deutschland aber unsere Politik macht ja mit aller Kraft die Augen davor zu.“ Es gab aber Gegenstimmen, die mit den Aussagen im Kurierbericht nicht einverstanden waren, z.B. „Was für eine Fachkompetenz hat ein Soldat der, vor 15 Jahren, nicht einmal ein halbes Jahr in einem Land war und eventuell kaum das Camp verlassen hat? Wieso wird diesem plumpen Anfeuern von Ressentiments hier eine Bühne gegeben?“
Links
https://www.presserat.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Presserat
https://epaper.kurier.de/webreader-v3/index.html#/950203/17
https://www.facebook.com/Nordbayerischer.Kurier/posts/danielo-heidrich-ist-heute-verwaltungsleiter-im-rathaus-heinersreuth-im-winter-2/4948347285175301